Im Juni 2011 wurde an der Praxisvolksschule eine Elternbefragung zur Qualitätssicherung mittels Fragebogen durchgeführt. Die Befragung ergab eine sehr große Zufriedenheit über die abgefragten Bereiche. Im sozialen Miteinander, im Austragen von Konflikten unter den Schülerinnen und Schülern untereinander, sahen die Eltern noch Bedarf nach Unterstützung für die Kinder. Dies wurde von den Lehrerinnen auch so gesehen.
Von Roman Ottenschläger kam der Vorschlag, den Kindern zur Unterstützung bei Konflikten die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall B. Rosenberg (1934-2015) näher zu bringen. Dieser Vorschlag wurde angenommen.
Im Sommersemester 2012 erhielten die Lehrerinnen und die Freizeitpädagoginnen an mehreren Nachmittagen eine Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation.
Im Wintersemester 2012/13 startete das Projekt für die ganze Schule. In mehreren Einheiten wurden von Roman Ottenschläger und den jeweiligen Klassenlehrerinnen die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation mit den Klassen eingeübt.
Beobachtung – ich sage, was ich sehe und nicht was ich darüber denke. Wenn ich sehe, dass du meine Schultasche umgeworfen hast ...
Gefühl – ich sage, was ich während der Beobachtung fühlte ... bin ich ärgerlich ...
Nach dem Modell der Friedenstreppe wiederholt das zuhörende Kind das Gesagte des Gegenübers.
Dies dient zur Förderung der Empathie. Auf der vierten Stufe wird mit Hilfe des vierten Schrittes in der GFK, die Bitte, der Konflikt beendet oder Vereinbarungen für die Zukunft getroffen.
Bedürfnis – ich sage, was mir wichtig ist ... weil mir ist wichtig, dass meine Sachen nicht umgeschmissen werden ...
Bitte – ich spreche eine konkret umsetzbare Bitte aus ... kannst du bitte in dieser Pause beim Laufen aufpassen!
In den Klassen und in den Räumen der Nachmittagsbetreuung wurden GFK-Ecken zur Streit-Schlichtung eingerichtet. Der Elterverein ermöglichte die Anschaffung von Handpuppen: Der Wolf als Symbol für die Alltagssprache und die Giraffe als Symbol für die wertschätzende Sprache der Gewaltfreien Kommunikation.
Im Mai 2013 erhielt Roman Ottenschläger für die Konzeption und Durchführung des Projektes den niederösterreichischen Bildungspreis, den EDUcation Award in der Kategorie „Soziales Lernen und Entwicklung und sozialer Kompetenz“.
Die Klassen präsentierten den zahlreich erschienen Gästen am 14. Juni 2013 beim Projektfest die ersten Ergebnisse des laufenden Projektes.
Die Praxisvolksschule erreichte im Juni 2013 beim österreichweiten Fairness Award für dieses Projekt in der Kategorie „Schulprojekte 6-10 Jahre“ den 1. Platz!
Ab dem Schuljahr 2013/14 erhalten die Kinder der Vorschulklasse und der ersten Klassen und die neu hinzukommenden Lehrerinnen und Freizeitpädagoginnen eine Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation.
Ab dem Schuljahr 2014/15 offene Supervisionsgruppe für Lehrerinnen und Freizeitpädagoginnen. Einmal im Monat gibt es die Möglichkeit, die eigene Tätigkeit und Erlebtes mit Blick auf die Gewaltfreie Kommunikation zu reflektieren.
Ab dem Schuljahr 2015/16 gibt es das Angebot einer „Giraffenstunde“ für alle Schülerinnen und Schüler der PVS. Diese findet einmal in der Woche statt und die Kinder können sich für diese Stunde voranmelden.
Die Kinder können Einzeln oder mit dem Kind mit welchem sie gestritten haben in die Giraffenstunde kommen. Mit Hilfe der GFK-Treppe versuchen Die Schülerinnen und Schüler gemeinsam den Konflikt zu lösen. Die ersten drei Treppen stehen für die ersten drei Schritte der GFK: Beobachtung, Gefühl und Bedürfnis.
Im Schuljahr 2016/17 wurde von Tatjana Bauer, BSc in ihrer Bachelorarbeit die „Giraffenstunde“ untersucht. Mittels Leitfrageninterviews wurden teilnehmende Schülerinnen und Schüler befragt. Die Veränderungen, welche die Ergebnisse dieser Bachelorarbeit anregten, wurden im darauf folgenden Schuljahr umgesetzt.
Außer den bisherigen Aktivitäten gab es im Schuljahr 2017/18 den Austausch unseres Schulprojektes mit der Primarschule Walkermatte (Biel, Schweiz). Dieser entstand aufgrund der Initiative von Onorina Magri, Lehrerin an der Primarschule. Die Finanzierung und Förderung dieses Austausches wurde durch die Schweizer Stiftung movetia ermöglicht. Dieser Austausch begann im Schuljahr 2016/17. Das Konzept unseres Schulprojektes wurde von Onorina Magri für die Primarschule übernommen und adaptiert. Ich durfte in diesen zwei Jahren bei drei Besuchen in Biel das Projekt begleiten und auch ähnliche positive Ergebnisse, wie an unserer Schule, beobachten. Onorina Magri entwickelte das Projekt durch Installierung eines Giraffenteams weiter. Diese erfahrenen Schülerinnen und Schüler unterstützen in den Pausen die Kinder der Primarschule bei der Lösung von etwaigen Konflikten. Abschluss dieses Austausches bildete ein Besuch von Onorina Magri mit drei Lehrerinnen an der PVS im April 2018. Dabei beobachteten sie verschiedene Stunden des Schulprojektes in den Klassen und nahmen an einer Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation im Rahmen des Masterlehrganges Mentoring teil.
Seit dem Schuljahr 2018/19 führen Wolfi Wolf & Gina Giraffe die Kinder in die Gewaltfreie Kommunikation ein. Gemeinsam mit meiner Kollegin Gertrud Weidinger; MA entwickelten wir fünf Theaterstücke für die Handpuppen, worin Wolfi & Gina den Kindern die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation auf humorvolle Weise näherbringen. Ebenso wurden von mir in diesem Schuljahr die Stundenbilder und die Materialien für das Schulprojekt überarbeitet. Gemeinsam mit den Theaterstücken wurden diese im Arbeitsbehelf „Wolfsgeheul & Giraffenherz“ Schulprojekt in Gewaltfreier Kommunikation für die Primarstufe zusammengefasst und im September 2019 veröffentlicht.
Die Corona-Pandemie prägten auch in den Schuljahren 2019/20, 2020/21 und 2021/22 das Schulprojekt. Der Bedarf an Gesprächen von mehreren Kindern, welche einen Streit hatten, nahm ab. Die Zahl der Einzelgespräche nahm stark zu. Hier konnten sie der „Giraffe“ all das erzählen, was sie erlebten und ihnen Sorgen machte.
In den Schuljahren 2022/23 und 2023/24 fanden jeweils über 100 Gespräche mit „Gina Giraffe“ statt. Die Kinder erzählten „Gina“ ihre Sorgen und konnten, unterstützt durch die Gewaltfreie Kommunikation ihre Konflikte klären.